Seelendiebstahl

Du hast meiner Seele ihr zu Hause beraubt – und ich hab' geglaubt, das alles wär echt. Und so war es mir recht, alles aufzugeben und mein altes Leben, ganz dir hinzugeben. Scheinbar so schön, doch dieser Schein trügte, als ich mich fügte, in deine Welt ein und obwohl ich bei dir war, fühlte ich mich immer allein. 

 

Wenn ich zurückblicke und sehe was ich getan, fängt mein Atem direkt zu Stocken an. Ich habe so viel über mich ergehen lassen, kann keine Worte fassen, doch all jene, die solches auch erleben, werden verstehen was ich meine, wenn ich sage, seine Welt ist nicht wie deine.

 

Stets schaffte dieser Eine, dass Tränen und Schmerz das Resultat von all dem war, was mir im Laufe der Zeit geschah.

Und so blicke ich zurück und sehe, wie der Vorhang fällt - es öffnet sich das Tor zu dieser anderen Welt. Ich sehe die Wand, wie ich verschwand, hinter der die ich bin, so gab ich mich hin um dir zu gefallen und du fülltest Hallen, doch für dich viel zu wenig. Denn für dich zählte mehr und hinterher, fühltest du dich leer um nicht zu behaupten schon die ganze Zeit und es tat mir so leid, für dich und auch rückblickend für deine Frau, aber du warst schlau und hast zwei Leben aufgebaut, um nicht zu sagen, drei oder vier. 

Die Gier gut versteckt, der Hass in Liebe verhüllt, denn die Welt würde sie ja brauchen, hast du mal gesagt und dich gar nicht gefragt, was das eigentlich heißt. Ja, wenn man drauf scheißt und nur darauf schaut, was die Zahlen bringen, um all das zu singen, was die Leute eben hören möchten, dann wird es wohl auch gelingen und das wäre das Einzige was zählt. Und wenn einem wirklich was fehlt, dann würdest du da sein, hast du mal gemeint. Und wenn jemand weint, dann würdest du so lange bleiben, bis die Angst auch vergeht. Nur nicht dann, wenn dich niemand versteht und es dir nicht passt, ja dann fasst du einfach hinüber zu einer anderen hin und lässt die, die Angst hat, einfach verrecken. Hauptsache du, ja du, kannst dein Teil in eine andere Frau hineinstecken. 

 

Und dann sagst du ihr noch, dass sie die Schönste von allen, sie würde dir so gut gefallen, dass du mit ihr noch am Liebsten heute vor den Altar treten magst und sie dann fragst, ob sie deine Frau werden möchte oder sagen wir nicht deine Frau, sondern eher dein Untertan, denn in deinem kranken Gehirn findest du Gefallen daran, andere am Boden zu sehen, wenn sie da liegen und eine Art Verschwiegenheitspflicht dir versprachen und so kannst du mit ihnen machen, was du willst, damit du für dich ganz alleine, deine Bedürfnisse stillst. Du spürst, du hast sie ab jetzt in der Hand, denn dieses Band würde niemals zerreißen, hast du genau so mal geschrieben und so sind alle geblieben, die glaubten, die Eine zu sein, doch das war in Wirklichkeit alles nur Schein. Und so tratst du auch in deren Welt ein und zerstörtest all das, was sie Jahre aufgebaut, so wie sie andere noch kannten aber irgendwie landen alle nach deiner Gewalt in einer Anstalt, weil sie ihre Identität nicht mehr kennen, die du ihnen genommen, Hauptsache du hast alles bekommen, was du für dich brauchtest. 

 

Und ich weiß es noch gut, als ich ging, hieltst du mich hin und sagtest ernsthaft zu mir, wenn ich jetzt geh, dann tust du dir weh und nimmst dir das Leben. Schuld allein hättest dann ja nur du (also ich) hast du dir gedacht und so hast du die Macht, ganz bei dir behalten. Und einer deiner Gestalten erneut aufgesetzt, mit der dich auch jeder schätzt und dich alle so lieben. Ich weiß jetzt, wäre ich geblieben, wäre ich wohl nicht mehr hier und mal ehrlich, wärst du dann wirklich bei mir, um mich ein letztes Mal zu sehen in der Truhe, die du für mich geschnitzt hast über all die Zeit. Hättest du wohl noch Neid, dass jetzt einmal alle auf mich hinsehen und ein letztes Mal mit mir meinen Lebensweg gehen. 

 

Und so würdest du selbst den Tod für deine Zwecke benutzen, um dich ins Rampenlicht zu setzen und dich mit deiner Community zu vernetzen, um ihnen zu sagen, was dir auf dem Herzen liegt und wie schwer es dir fällt, dass es mich nicht mehr gibt. Ich bin mir sicher, dass würde ein paar Likes schon geben, für dein so vorbildliches Leben. 

 

Weißt du, auch wenn ich am Boden lag, kann ich es halbwegs verkraften, aber es gibt Menschen, die den Ausweg nicht schafften und sich wirklich nicht mehr kannten, weil sie sich selbst nicht mehr als liebenswert fanden und so landen sie letztendlich am Himmelszelt oben und für diese möcht' ich jetzt in Stille gedenken und die Aufmerksamkeit allen Opfern von Missbrauch schenken. Denn nur das kann uns belehren, in Zukunft darauf zu schauen, wem wir wirklich vertrauen können und wem nicht. Und so sehe ich es als meine Pflicht, dir das weiterzugeben, um dein Leben nie mehr einem anderen Menschen zu geben. 

 

Denn du bist wundervoll, auch wenn du es nicht glaubst und deinen Selbstwert oft ganz nach unten schraubst, ich sage dir, das ist nicht wahr, das alles was dir geschah, hat rein nichts mit dir und deinem Wert zu tun, lass bitte all diese Gedanken ruh'n. Und überlasse keinen Menschen mehr Macht über dich, sondern sprich darüber, was dir geschah. Auch ich lege dir nah, dich aus den Ketten zu befrei'n, denn nur so kannst du wieder glücklich sein. Und wenn es dir schwer fällt, dich loszureißen, dann heißt das nicht, das du zu schwach oder zu klein, nein, im Gegenteil, das ist völlig normal. Ich sage dir, du kommst raus aus dem Tal, wenn es dir gelingt und du es schaffst und nicht mehr das machst, was er von dir will, und die Schuld nicht bei dir suchst, die er dir gibt, weil er dich ja angeblich liebt, doch das ist nicht Liebe, das ist Missbrauch und zwar emotional - ein Hinführen, gekonnt, in ein finsteres Tal.

 

Kein Schmerzensgeld könnte dieses begleichen und würde nicht reichen um die Wunden zu schließen, weil die Opfer von Missbrauch auf diese eine bestimmte Person in ihrem Leben stießen, die sie festhalten, mit Worten und Gedanken an sich binden und dann noch finden, sie wären gut und kein anderer wäre besser für dich. Und lässt du sie im Stich, dann weißt du genau, du bist diese eine Frau, die Schuld an dem ist, dass er jetzt fällt - in seinen Augen, denn er ist ein Held, immer und da gibt es nichts auszusetzen, ihn hat man zu schätzen, ob man will oder nicht, aus seiner Sicht hat er immer recht, egal welches Geschlecht, man muss ihn einfach ehren, darf man sich nicht wehren oder ihn gar noch belehren, man hat das zu tun, was er für richtig hält, in seiner für ihn erschaffenen Welt. 

 

Ich bitte dich, fange endlich an, an dich selbst zu glauben, lass dir deine Seele nicht rauben, schon gar nicht von so einem Mann, der eines gut kann und zwar dir die Sicht zu nehmen, die Sicht auf ein wunderschönes, friedvolles Leben, dass dir geschenkt worden ist vor vielen Jahren, bitte fange jetzt endlich zu leben an. Denn das ist dein Geburtsrecht, du hast es erhalten um dich zu entfalten und nicht um dich hinter Gitter zu begeben, glaub mir auf dich wartet da draußen noch ein anderes Leben. Hab Mut, finde Kraft in dir dich zu befrei'n, dann ja dann, kannst du wieder ganz bei dir sein. Befreie dich von all dem, was dich mit ihm verbindet, bis er gänzlich aus deinen Gedanken verschwindet. Und wenn es dir hilft, dann suche dir Rat bei denen, die wissen, wie weh es tat und wie schwer es ihnen gefallen, so wie dir, nein, du bist nicht alleine hier. Du findest den Weg wieder hinaus und zwar wenn du ganz fest vertraust und beginnst dich auf dich und dein Herz zu besinnen. Ja nämlich dann nur dann kannst du ihn finden - den Platz, indem einst deine Seele wohnte, in der Zeit, in der es sich lohnte, nach vorne zu schau'n, ja dann kannst du dir ein Leben aufbauen und dem Leid für alle Mal Lebewohl zu sagen und dann bewusst dein Herz zu fragen, was es jetzt braucht, für dich ganz alleine, ich führ dich kurz hin, zu dem Platz den ich meine.

Zu dem Platz, in der einst deine Seele war, die er dir genommen, in diesem Platz bist du auf ewig willkommen. Ganz ohne Leid, ohne Schuld und ohne Schmerz, den Platz, den ich meine ist dein gebrochenes Herz. 

 

 

 

 

Hierfür stehe ich mit meinem Namen. Für all jene, die in ihrem Leben emotionalen Missbrauch erfahren haben.

Für all jene, die die Kraft nicht besitzen, um auszubrechen. 

Habt Mut, ihr seid nicht alleine.

08.05.2020

 

Kommentare: 4
  • #4

    Andreas Welticke (Mittwoch, 24 Juni 2020 00:04)

    Sehr berührend, danke

  • #3

    Sven Bublitz (Mittwoch, 13 Mai 2020 18:20)

    Der Text ist Dir sehr gut gelungen. Auf, auf - zu allen (hoffentlich besseren) Geschichten, die im Leben noch auf Dich warten! :-)

  • #2

    Johanna Bender (Dienstag, 12 Mai 2020 22:29)

    Hallo vertraute Seele
    Du hast es geschafft ... die Worte sind geschrieben, aus deiner Hand. Respekt und mein Glückwunsch liebe Julia.
    Schreiben war und ist für mich befreiend. Es wird alles so klar. Man muss es nur lernen zu akzeptieren und das wir selbst es in der Hand haben zu entscheiden in welche Richtung es gehen soll. Nein sagen fiel mir schwer. Allein war für mich einsam sein. Selbstliebe ist so wichtig... das habe ich gelernt. Arbeite immer noch an meinem Selbstwertgefühl. Also gehe ich neugierig und offen in die Zukunft, die ich selbst gestalten kann/darf. Es macht so viel Spaß - das Leben meine ich. Kein Mann, der keine Empathie für Mitmenschen entwickeln kann, kein Mensch, der Begehren mit Liebe verwechselt, kann mir etwas anhaben. Nach zwei Jahren bin ich so stolz auf mich und werfe einen Blick zurück, nehme an, halte inne und tröste die kleine Johanna und nehme den Schritt nach vorn.
    Ich bin mir im reinen :)
    Schön, das es dich gibt Julia

  • #1

    Inga (Dienstag, 12 Mai 2020 21:46)

    Danke, ich bewundere dich dafür das du es so gekonnt in Worte fassen kannst. Ja meine Augen sind ein bisschen nass. Die Allgemeinheit, oder Menschen, die eine solche Erfahrung noch nie (Gott sei dank) durchleben mussten, können diesen Schmerz schwer bis gar nicht nachvollziehen. Warum hast du das mit dir machen lassen ist unter anderem die schlimmste Frage überhaupt ..... Danke deine Worte helfen !